Cuptasting Set: Kaffee ist Formsache

eingetragen in: Alltag, Rösten, Zubereitung 0

Warum trinkt man Wein aus verschiedenen Gläsern? Sicherlich um seine Aromen besser aufzunehmen und das Profil des Weines zu stärken. Kann das auch zu Kaffee passen und hat die Form der Tasse eine Auswirkung auf den Geschmack des Kaffees? Dieser Frage gingen wir mit Keramikkünstlerin Dimi von Dimudji Ceramics nach. Das Ergebnis hat uns gleichermaßen verblüfft wie begeistert.

Tassenform

Angefangen hat unser Projekt mit acht verschiedenen Prototypen mit unterschiedlichsten Formen und Größen, die Dimi für uns hergestellt hat. Wir haben in Blindverkostungen mit dem jeweils gleichen Kaffee teilweise recht große Unterschiede feststellen können. Dabei ging es nur um den reinen Geschmack und noch gar nicht um das “Trinkerlebniss” – der Kaffee wurde nämlich auf einem Löffel gereicht.
Bei zwei Tassen hat uns der sensorische Unterschied besonders verblüfft. Das gilt übrigens für das ganze Team, den alle haben fleißig mitgetestet. Wie bei allen sensorischen Einschätzungen und Bewertungen gibt es hier und da mal Abweichungen, doch es stellte sich nach einigen Wochen des Testens – das Ganze musste natürlich auch mit verschiedenen Kaffees erfolgen – heraus, dass diese beiden Tassen die größten Unterschiede hervorbringen. Eine Tasse ist geformt wie ein “A” mit einer kleinen Öffnung oben und die andere erinnert eher an ein “V” mit einer großen Öffnung oben. Von da an waren wir uns sicher: die Tassenform hat Einfluss auf den Geschmack. Wie wirkt sich das aber genau aus und warum?

 

Form und Aromen

Wie wir den Geschmack des Kaffees– als eine einheitliche sensorische und individuelle Erfahrung – wahrnehmen, könnte als Ergebnis der vielleicht komplexesten Integration multisensorischer und affektiver Signale durch das Gehirn angesehen werden. Viele der Studien zu diesem Thema zielen auf die Form des Trinkgefäßes ab und auf die individuelle Wahrnehmung. Uns hat aber v.a. auch interessiert – und daher haben wir immer blind auf einem Löffel verkostet – ob die Form tatsächlich auch den Geschmack beeinflusst.

Auch hier lohnt tatsächlich wieder einmal der Blick in die Welt des Weines, denn dort wird lebhaft über die “richtige” Wahl des Weinglases diskutiert und es gibt schon deutlich mehr an Forschung dazu. Es ist bekannt, dass die Größe und Form des Glases die Freisetzung und den Verbleib der flüchtigen Stoffe im Wein sowie den Sauerstoffgehalt im Laufe der Zeit beeinflusst. In der Weinliteratur gibt es außerdem einen positiven Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Aromaintensität und dem Verhältnis von maximalem Durchmesser zu Öffnungsdurchmesser. Dies erscheint uns logisch, da ein größerer Durchmesser oben die Verflüchtigung von mehr Aromen ermöglichen würde. Bei einer kleinen Öffnung oben, werden die Aromen eher in der Tasse oder im Glas zurückgehalten. Angesichts der Anzahl flüchtiger Verbindungen, die Kaffee aufweist, könnte man erwarten, dass die physikalischen Eigenschaften der Tasse auch einen Einfluss auf die Wahrnehmung komplexer Aromen im Kaffee hat. Bei unseren Tests haben sich ja auch eine Tasse mit einer kleinen und eine Tasse mit einer eher großen Öffnung oben als größter Gegensatz herauskristallisiert.

Antizipation und Sensorik

Wir haben anfangs immer blind verkostet und dann später mit den Tassen selbst. Hier kommt dann eine weitere Komponente ins Spiel: unsere Erwartung, wenn wir eine bestimmte Tasse, einen bestimmten Kaffee oder ein Produkt generell vor uns haben. Unser Bewusstsein wird in einen antizipatorischen oder vorausschauenden Modus versetzt, der stark genug sein kann, um das Aktivierungsmuster in den primären sensorischen Regionen zu verändern. Es gibt z.B. eine interessante Studie von Woods wo nachgewiesen wurde, dass allein durch das Etikett “sehr süß” auf dem Orangensaft die Erwartung von Süße bei den Studienteilnehmenden geweckt wurde. Die wahrgenomme Süße wurde dann auch tatsächlich mit höherer Intensität bewertet und die anteriore Insula (eine Region im Gehirn, die aufgrund früherer geschmacksbezogener Studien als primärer Geschmackskortex identifiziert wurde) war vermehrt aktiviert.

 

Die richtige Kaffeetasse finden

Für die Wahl der richtigen Tasse gibt es viele Faktoren, die entscheidend für den Geschmack sind. Einige führen zurück auf die Form und das Material, aber die meisten haben auch damit zu tun, wie wir das Trinkerlebnis individuell wahrnehmen:

  • Die Öffnung der Tasse – ist der Durchmesser klein oder hat die Tasse eine große Öffnung – verändert den Geschmack.
  • Aus Tassen mit unterschiedlichen Formen fließt der Kaffee auf je andere Weise in den Mund.
  • Der Rand der Tasse – ist er schmal oder breit – kann unterschiedliche Assoziationen hervorrufen und auch das Fließen beim Trinken beeinflussen.
  • Das Gewicht und die Dicke des Materials können sich auf die Wahrnehmung auswirken. Auch darauf, wie z.B. die Wärme des Kaffees transportiert wird.
  • Die Oberfläche des Materials – ist es glatt, samtig oder auch grobporig – spielt haptisch eine große Rolle.
  • Fühlt sich die Tasse individuell gut und richtig an? Aus einer Tasse, die man nicht mag, die man richtig furchtbar findet, wird der Kaffee selten richtig gut schmecken.

Aus unserem kleinen Sensorik-Experiment mit Dimi ist unser Cuptasting-Tassenset entstanden, so dass auch ihr probieren und versuchen könnt, den Unterschieden nachzuspüren. In dem Set ist jeweils die A-Form und die V-Form enthalten – nun in einem wunderschönen Lila-Ton glasiert.

 

Unsere Empfehlung zur Tassenform

Wir glauben, dass es Sinn macht die Wahl der Tasse vom Kaffee selbst abhängig zu machen. Unseren heller gerösteten Fire Finch zum Beispiel lieben wir aus der V-Tasse zu trinken. Und die dunkle Espressoröstung Blackcap wirkt in der A-Tasse besonders ausbalanciert. Wir laden euch ein, selber zu experimentieren und geben euch folgende weiterführenden Fragen mit auf dem Weg:

  1. Welchen Einfluss hat das Vorwärmen bzw. Kaltstellen der Kaffeetassen vor dem Einschenken bzw. Espressobezug?
  2. Wie verhält es sich mit der Crema beim Espresso in der V- und in der A-Tasse?
  3. In welcher Tasse wirkt der Kaffee runder und ausbalancierter?
  4. Arabica vs. Robusta – welche Auswirkung hat die Kaffeesorte bei der Tassenwahl?
  5. Spielt die Röstung und die Aufbereitung eine Rolle für ein unterschiedliches Erlebnis bei A- und V-Tasse?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.